Fake-Aberkennung als Protest: „Unordnungsamt“ entzieht Osnabrück den Nachhaltigkeits-Titel und stellt Greenwashing der Stadt bloß

Zugegeben: Die Falschmeldung unter

https://stiftung-nachhaltigkeitspreis.de/presse/pressemitteilungen/detail/stiftung-dnp-erkennt-osnabrueck-preis-ab

war von uns. Schade, dass die Aberkennung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises durch die offizielle Stiftung nicht ganz der Wahrheit entsprach. Die Meldung war ein Fake – die Gründe dafür sind es nicht.

Erinnern wir uns: Der Preis wurde der Stadt Osnabrück  im Oktober 2019 für ihre „bürgernahe, ökologische und soziale Stadtentwicklung“ verliehen. Die Jury zeigte sich, so wörtlich, „besonders beeindruckt von der aktiven Beteiligung der BürgerIinnen an Planungsprozessen.“ Passt eines dieser Kriterien auf das aktuellste Beispiel der Osnabrücker Stadtplanung, den Ledenhof? Oder auf den Rosenplatz, die sanierte Große Straße, den geplanten Neumarkt? Es sind steingewordene Ignoranz. Jeder dieser Plätze ist eine neu geschaffene Hitzeinsel, die im Sommer das städtische Klima weiter aufheizt, anstatt es durch Grün und Verdunstungskühle zu entlasten. Damit wird das eigene Klimaanpassungskonzept der Stadt, das dringend mehr Verschattung und Begrünung fordert, von der eigenen Planungsabteilung ad absurdum geführt. Diese Art der Stadtplanung ist nicht nur ökologisch ein Desaster, sie ist auch zutiefst unsozial. Sie verdrängt gezielt Menschen aus dem öffentlichen Raum, die der Hitze am schutzlosesten ausgeliefert sind: Ältere, Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen.

Dieses von der Stadt gezeichnete Selbstbild ist an der Realität der letzten Jahre zerschellt. Die damals prämierten Grundsätze wurden seitdem systematisch ad absurdum geführt. Das aktuellste und eklatanteste Beispiel dafür ist die als „Aufwertung“ bezeichnete Umgestaltung des Ledenhofs. Statt der versprochenen Grünfläche mit Bäumen bekamen die Bürgerinnen und Bürger für 4,2 Millionen Euro eine versiegelte Asphaltfläche, die sich im Sommer auf deutlich über 50 Grad aufheizt. Besonders lehrreich ist auch das Trauerspiel an der Pagenstecherstraße. Zuerst wurden für ca. 30.000 Euro Betonpoller aufgestellt, nur um diese ein Jahr später für ca. 60.000 Euro teilweise wieder zu entfernen und durch Bäume in Pflanzkübeln zu ersetzen. Diese „Bäume in der Kiste“ sind das Symbol einer Scheinlösung: Sie benötigen einen enormen Wasserverbrauch, da sie vom Grundwasser abgeschnitten sind. Ihre Ökosystemleistung – Kühlung durch Verdunstung, Regenwassermanagement, Lebensraum – ist im Vergleich zu einem im Boden wachsenden Baum praktisch null. Das ist keine Nachhaltigkeit, das ist teuer bezahlte, grüne Dekoration auf versiegeltem Grund.

Wir stellen daher diese Fragen an die Stadt und ihre BürgerInnen: Ist diese Auszeichnung heute noch angemessen, jetzt, wo man die Entwicklung seit der Verleihung beurteilen kann? Glaubt irgendjemand, dass Osnabrück in den letzten Jahren grüner geworden ist? Sozialer? Bürgernäher? Ist ein Preis für „Bürgerbeteiligung“ noch etwas wert, wenn die Ergebnisse dieser Beteiligung ignoriert werden, sobald die Türen des Hinterzimmers geschlossen sind? Wenn das die prämierte „ökologische und soziale Stadtentwicklung“ ist – wie sähe dann eine Entwicklung aus, die diese Kriterien verfehlt? Welche Bürgerinnen hätten diesen Ort so gewollt, wenn man ihnen ehrlich gesagt hätte, dass er im Sommer zu einer 60-Grad-Bratpfanne wird?

Weil wir diese Fragen mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten, sehen wir uns als Unordnungsamt in der Pflicht, die Realität zu würdigen. Wir verleihen der Stadt Osnabrück den Preis, den sie sich wirklich verdient hat:

„Der Goldene Betonklotz für herausragende Verdichtungsarbeit“

Amtliche Begründung der Jury (Auszüge):

Die Verleihung basiert auf der konsequenten Umsetzung einer Strategie, die den öffentlichen Raum primär als technisch nutzbare Fläche definiert und ökologische sowie soziale Aspekte nachrangig behandelt.

1. Kategorie „Virtuose Bürger*innenbeteiligung“: In der Bürgerwerkstatt zum Ledenhof wurde explizit eine „ausgewogene Balance grün und Stein“ und „klimagerechte Bepflanzung“ gefordert. Die Umsetzung in Form einer Asphaltwüste zeigt, wie dieses Votum im Hinterzimmer behandelt wurde. Das Bürgerbeteiligungsverfahren wurde somit in seiner inhaltlichen Konsequenz entwertet.

2. Kategorie „Kreative Umdeutung von Zielen“: Der prämierte Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs versprach eine „hohe Aufenthaltsqualität“ durch Bäume, unter denen man „im lichten Schatten“ sitzen könne, auf einer „wassergebundenen Wegedecke“. Dann das Eingeständnis planerischer Unzulänglichkeit: Man habe die darunterliegende Tiefgarage nicht bedacht. Genau an diesem Punkt hätte eine wahrhaft „bürgernahe“ Verwaltung den Prozess an die Öffentlichkeit zurückgeben müssen. Sie hätte diesen Fehler transparent kommunizieren und die Bürgerinnen und Bürger erneut konsultieren müssen, um auf Basis der neuen technischen Gegebenheiten gemeinsam die beste Alternative zu finden. Stattdessen entschied man im stillen Kämmerlein, die ursprünglichen Pläne komplett zu verwerfen und den Platz vollflächig zu asphaltieren. Die Öffentlichkeit wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Ergebnis ist eine undurchlässige Fläche, die sich an Sommertagen auf über 50°C erhitzt – eine No-Go-Area für Hunde und eine Zumutung für Menschen. Dass diese aus einem Planungsfehler und der anschließenden Missachtung des Bürgerwillens entstandene Asphaltwüste nun von der Verwaltungsspitze als „sehr schöne und funktionale Planung“ deklariert wird, ist an Ignoranz kaum zu überbieten.

3. Kategorie „Surrealistische Klimapolitik“: In einem Akt, der an Zynismus grenzt, sucht die Stadtverwaltung mit der Aktion „KÜHLE KARTE“ per QR-Code nach kühlen Orten in Osnabrück, BürgerInnen sollen diese Informationen liefern. Dass die Verwaltung als Hauptverursacherin neuer urbaner Hitzeinseln die Suche nach deren Gegenpol an die leidtragende Bevölkerung auslagert, ist eine Realsatire von höchster Güte und verdient eine besondere Würdigung.

4. Zum Tatbestand des ökologischen Ablasshandels: Löblicherweise fördert die Stadt mit dem Programm „Grün statt Grau“ die Entsiegelung privater Flächen. Doch diese Geste wird zur Farce, wenn die Stadtverwaltung zeitgleich mit einem ungleich höheren Budget aus Steuer- und Fördergeldern öffentliche Plätze in einer Größenordnung versiegelt, die die Bemühungen Hunderter Bürgerinnen zunichtemacht. Es ist ein ökologischer Ablasshandel: Die Bürgerinnen sollen im Kleinen das Gewissen der Stadt reinwaschen, während im Großen die Bausünden fortgesetzt werden. Eine transparente, vergleichende Bilanz der kommunalen Entsiegelungs- und Versiegelungsmaßnahmen wird der Öffentlichkeit bis heute vorenthalten.

Abschließende Bemerkung zum Verleihungsvorgang:

Ein Nachhaltigkeitspreis wurde für ein grünes Versprechen verliehen. Eingelöst wurde es mit grauem Asphalt. Das ist keine Panne, das ist die bewusste Täuschung der Bürger*innen und ein Verrat an der Zukunft dieser Stadt.

Als physische Trophäe war ein massiver Betonklotz vorgesehen. Aufgrund der am Ledenhof gemessenen Oberflächentemperaturen hat dieser jedoch kurz nach der Niederlegung spontan Feuer gefangen und ist zu Asche zerfallen.

Wir verleihen den „Goldenen Betonklotz 2025“ daher nur symbolisch. Wir fordern die Stadtverwaltung auf, ihre mit Preisen ausgezeichnete „bürgernahe, ökologische und soziale Stadtentwicklung“ nicht nur für die Bewerbungsmappen zu formulieren, sondern sie für die Menschen, die hier leben, endlich umzusetzen.

Eine Planung, die sehenden Auges den öffentlichen Raum für Kinder und Ältere im Sommer unbenutzbar macht, ist keine Politik für die Menschen, sondern gegen sie.

Über das Unordnungsamt: Wir sind da, wo die Ordnung versagt.