Heuchelei in der Friedensstadt: Empörung über Flyer, Achselzucken bei Rheinmetall
In den letzten Tagen wurde viel über einen Flyer diskutiert und die NOZ titelte, die Urheber*innen handelten „feige“. Als Unordnungsamt stellen wir klar: Die Aktion war nicht unsere Idee, aber wir haben sie tatkräftig unterstützt und solidarisieren uns vollumfänglich damit. Feige ist nicht der kreative Protest. Feige ist das betretene Schweigen der Stadtspitze zu der existenziellen Frage, ob unsere Friedensstadt zur Waffenschmiede wird. Wir bekennen uns zu dieser Unterstützung, denn es braucht einen Weckruf.
Osnabrück: Friedensstadt nur noch als Marketing-Gag?
Unsere Stadt nennt sich mit Stolz „Die Friedensstadt“. Dieses Label ist das Erbe des Westfälischen Friedens von 1648, die Stadt verleiht den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis und ist Mitglied im globalen Städtebund „Mayors for Peace“. Dieses historische Erbe ist eine Verpflichtung. Wie passt es zu dieser Identität, wenn die Oberbürgermeisterin bei einem satirischen Flyer von einer „Vergiftung der Debatte“ spricht, aber zur realen Gefahr einer Rheinmetall-Ansiedlung schweigt?
Die politisch herbeigeführte Alternativlosigkeit
Wir wehren uns gegen die drohende Erzählung von ‚Rüstungsjobs oder gar keinen Jobs‘. Diese Erzählung wird strategisch aufgebaut: Die IG Metall fordert zu Recht eine „klare Perspektive“ nach dem Auslaufen des T-Roc 2025, der VW-Konzern schweigt, und in diese Leere stößt Rheinmetall. Indem die Stadtspitze um Frau Pötter keine einzige zivile Alternative aktiv fördert oder gar einfordert, macht sie den Rüstungskonzern zur einzig sichtbaren Option.
Wer die Osnabrücker Politik verfolgt, kennt ein altbekanntes Muster: Geht es um progressive Ziele wie bezahlbaren Wohnraum, Klimaschutz oder die Kulturförderung, wird reflexartig die Handlungsunfähigkeit der Stadt betont. Als Begründung wird fast immer die „angespannte Finanzlage“ vorgeschoben. Doch diese angebliche Machtlosigkeit ist selektiv. Denn sobald ein politisches Prestigeprojekt auf der Agenda steht, ist die Handlungsfähigkeit plötzlich wieder da. Bestes Beispiel: Für den Ausbau des VfL-Stadions werden ohne Zögern 60 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln und Bürgschaften mobilisiert.
Genau dieses Muster erleben wir jetzt in der Debatte um das VW-Werk. Die Schaffung einer zivilen, nachhaltigen und friedlichen Zukunft für tausende Beschäftigte wird wie ein progressives Wunschprojekt behandelt, bei dem die Stadt angeblich nur machtlos zusehen kann. Das Schweigen zu Rheinmetall wird mit dieser gespielten Ohnmacht gerechtfertigt.
An die Kolleg*innen bei VW: Wir verstehen eure Sorge um die Zukunft. Niemand darf eure Angst vor dem Jobverlust instrumentalisieren, um euch in die Arme eines Rüstungskonzerns zu treiben. Euer handwerkliches Können und eure Expertise sind keine Belastung, sondern die eigentliche Lösung. Dieses Know-how wird für die sozial-ökologische Wende dringender gebraucht als für jeden Panzer. Wir stehen an eurer Seite im Kampf um eine gute, zivile und zukunftssichere Arbeit.
Das wahre Gesicht von Rheinmetall
Das größte Problem ist die brandgefährliche Verharmlosung von Rheinmetall als „normaler Arbeitgeber*in“. Wir reden hier über einen Konzern, der für Korruption in Griechenland verurteilt wurde, ganze Waffenfabriken an Autokraten verkauft und deutsche Exportgesetze für den Jemen-Krieg gezielt umgeht. Doch statt diese Fakten zu thematisieren, wird das Märchen vom verlässlichen Arbeitgeber*in erzählt, der seinen Profit mit der Destabilisierung der Welt verdient und dann einen Fußballverein sponsert, um alles zu übertünchen.
Wir fordern eine Politik, die dem Erbe der Friedensstadt gerecht wird. Wie wir den Konsens aus Auto- und Rüstungslogik aufbrechen können, wollen wir mit allen Interessierten diskutieren. Als Inspiration zeigen wir den Dokumentarfilm „VW steht für Verkehrswende“. Kommt zur Filmvorführung mit anschließender Diskussion mit den Aktivist*innen Tobi und Lotte von Verkehrswendestadt Wolfsburg am Montag, 08.09., um 18:30 Uhr in der Uni Osnabrück (Gebäude 1/E01).
